Freisprechung der Gesellen der Designschule 2.0 – Hier hängt kein Prüfling am seidenen Faden

Am 23. August 2024 war es soweit: Die Gesellen der Designschule 2.0 in Schwerin wurden freigesprochen. Ein großer Tag für die jungen Maßschneiderinnen – in diesem Jahr habe ich ausschließlich Frauen zum Abschluss geführt – nach einer arbeitsintensiven Zeit. Aber wie genau sahen die letzten Monate der fleißigen Schneiderlein aus? Wie wurde das handwerkliche Können geprüft? Als Dozent und Ausbilder in der Maßschneiderei gewähre ich hier einige Einblicke.


Die Prüfungsvorbereitungen beginnen

Im April 2024 starten die Schülerinnen ins 6. Semester, das ganz dem Training und der Prüfungsvorbereitung im Fach Maßschneider gewidmet ist. In den vergangenen zweieinhalb Jahren haben sie eine praktische Ausbildung in der Maßschneiderei erhalten sowie zusätzlich in der textilen Verarbeitung bei meiner Kollegin Frau Kraft. Außerdem gab es beispielsweise Unterrichtseinheiten zu Maschinen- und Warenkunde, zur Kostümkunde sowie Schmucktechnik-Workshops. Nun stehen das intensive Einüben und Verfeinern von Verarbeitungstechniken an, um sie auf die Abschlussprüfung zur Maßschneiderin vorzubereiten.

Neben dem Vertiefen der vielfältigen Fertigkeiten wählen die Schülerinnen Schwerpunktthemen aus, in denen sie ihre Fähigkeiten perfektionieren möchten.



Bekanntgabe des Prüfungsthemas durch die Handwerkskammer zu Leipzig

Der fiktive Kundenauftrag lautet: Fertigen Sie ein klassisches Schneiderkostüm mit aufwändiger Schmucktechnik.

Die Schülerinnen und Schüler erhalten eine Einführung ins Thema, diskutieren in der Gruppe über Umsetzungsmöglichkeiten und gehen dann gemeinsam mit mir in die individuelle Ideenfindung.



Von der ersten Idee zur konkreten Umsetzung

Ist die grundsätzliche Idee gefunden, folgen die Modellentwicklung und der sinnliche, aber auch technisch relevante Part der Materialauswahl. Wie soll das Kostüm die Körperlinie formen? Wie verhält sich der gewählte Stoff hinsichtlich der Schnittführung? Und wie sieht das Farbkonzept aus?

In einem Workshop zum Thema Schmucktechnik verfeinern die Prüflinge ihre Fingerfertigkeit bei Stickereien, Applikation, Inkrustationen und Biesen. Sie prüfen die Umsetzbarkeit für das von ihnen angedachte Kostüm und nehmen eine Probeanfertigung vor.

Nach dem Workshop wird ein komplettes Probemodell des Kostüms in Nessel genäht und von der fiktiven Kundin (konkret meist eine Freundin oder Verwandte) anprobiert. Der Schnitt wird angepasst und ausgefeilt.


Letzter Probelauf vor der Prüfung

Das zweite Probemodell erstellen die Prüflinge in einem Stoff, dessen Materialhaftigkeit dem endgültigen Stoff ähnelt. Die einzelnen zugeschnittenen Teile werden eingerichtet. Das Kostüm wird durchgenäht.

Parallel zum praktischen Arbeiten erstellen die angehenden Maßschneiderinnen in dieser Zeit eine aufwändige Mappe mit Skizzen, technischen Zeichnungen und begründen schriftlich ihre Entscheidung zu Form und Silhouette sowie zur Farbwahl.

In einer Konsultation bespreche ich mit jeder einzelnen Schülerin ihre Arbeit. Gemeinsam werten wir aus, was in der Prüfung verbessert werden kann oder muss.



Der große Tag

Eigentlich ist der große Tag eine große Woche. Denn die praktische Prüfung der Maßschneiderei erstreckt sich über 5 Tage á 8 Stunden, in diesem Jahr vom 15. bis zum 19. Juli 2024.

Und damit nicht genug: Nach nur zwei Tagen Pause findet am 21. Juli ein Fachgespräch mit jeder angehenden Maßschneiderin statt. Im Fachgespräch stellt der Prüfungsausschuss den einzelnen Prüflingen Fragen zur handwerklichen Verarbeitung sowie zur gestalterischen Idee.

Übrigens: Vor dieser praktischen Prüfung gab es bereits eine theoretische Prüfung, die extern bei der Handwerkskammer zu Leipzig abgehalten wurde.

23. August 2024: Geschafft!

Alle Prüflinge des Prüfungsjahrgangs 2024 der Designschule 2.0 haben bestanden.

Ich gratuliere den jungen Maßschneiderinnen von ganzem Herzen! Es war mir eine Freude, mit ihnen zu arbeiten, ihren Ideenreichtum zu erleben und ihnen das wunderbare Handwerk der Maßschneiderei beizubringen.




Linkliste

Designschule 2.0 Schwerin

Handwerkskammer zu Leipzig

Ich bedanke mich bei der Firma SCABAL dafür, dass sie den Prüflingen 50% Rabatt auf alle Stoffe gewährt hat. Zudem stellte SCABAL Reststoffe ihrer Kollektionen kostenlos zur Verfügung.